2024.05.14 - Der Spiegel - Slash: "Since I stopped doing drugs, I've been buying guitars" (German)
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2024.05.14 - Der Spiegel - Slash: "Since I stopped doing drugs, I've been buying guitars" (German)
Rockstar Slash
»Seit ich keine Drogen mehr nehme, kaufe ich Gitarren«
Wie pflegt man diese Lockenmähne? Wie war’s mit Ryan Gosling bei den Oscars? Muss jeder Gitarrist ein Bluesalbum aufnehmen? Guns-N’-Roses-Rocker Slash über Männlichkeitsbilder, geklaute Platten und seine Sucht nach Instrumenten.
Ein SPIEGEL-Gespräch von Andreas Borcholte und Arno Frank
Saul Hudson, den die halbe Welt nur als Slash kennt, empfängt in einem Hotelzimmer im Waldorf Astoria im Berliner Westen. Am Freitag erscheint sein Bluesalbum »Orgy of the Damned«, seit seiner Versöhnung mit Sänger Axl Rose ist er aber auch wieder Teil der gemeinhin in Stadien auftretenden Rockband Guns N’ Roses (»Welcome to the Jungle«), zu deren Besetzung er ab 1985 gehörte. Hudson wurde 1965 in Hampstead, London, geboren, später zog die kreative Familie nach Los Angeles: Sein britischer Vater entwarf Plattencover für Stars wie Joni Mitchell, seine afroamerikanische Mutter designte Kostüme für David Bowie und Diana Ross.
Den Spitznamen Slash erhielt Hudson angeblich, weil er als Knirps nie still sitzen konnte und ständig herumsauste. Heute gilt er als einer der talentiertesten Gitarristen seiner Generation. Sein Werkzeug, zumeist eine Gibson Les Paul, spielt er lässig tief auf der Hüfte aufliegend, auf der Bühne trägt er dunkle Sonnenbrille und eine wilde Lockenmähne, auf der ein Zylinder thront: Es ist eine ikonische Silhouette, die Personifizierung des coolen Rockstars. Anfang März trat Slash zusammen mit »Barbie«-Star Ryan Gosling bei der Oscarverleihung in Hollywood auf, um dessen Soundtrack-Hit »I’m Just Ken« auf der Gitarre zu begleiten. Zum Interview erscheint er ohne Hut, dafür mit Basecap über den wild an den Seiten herausquellenden Haaren.
SPIEGEL: Slash, wollen Sie uns das Geheimnis Ihrer Haare verraten?
Slash: Wieso? Was ist damit? Ich bin gerade aus dem Bus gestiegen, ich habe gar nichts damit gemacht! Väterlicherseits bin ich weiß, mütterlicherseits schwarz, das ist alles naturbelassen. Na gut, vielleicht werden sie langsam ein wenig dünner.
SPIEGEL: Ihre Haare sind eines Ihrer Markenzeichen, man erkennt Sie seit Jahrzehnten an Ihrem Äußeren, den Locken, der Lederhose und dem Zylinder.
Slash: Das war keine Absicht. In den frühen Tagen von Guns N’ Roses war ich auf der Suche nach einem guten Look. Aus einem Laden auf der Melrose Avenue in Los Angeles habe ich dann diesen Zylinder mitgehen lassen. Ich ahnte nicht, dass das ein Markenzeichen werden würde. Ich mochte es nie, auf mich aufmerksam zu machen. Mit den Haaren im Gesicht und dem Zylinder auf den Kopf konnte ich mich bei Auftritten gut verstecken.
SPIEGEL: Sie haben den Zylinder gestohlen?
Slash: Tut mir leid, ja, ich hatte nicht das Geld dafür, okay? Das ist illegal, klar, aber die Leute passen auch wirklich nicht gut auf. Als Kind habe ich das sehr schnell gelernt.
SPIEGEL: Haben Sie auch Tonträger geklaut?
Slash: Klar! Es ging damit los, dass ich ein Geburtstagsgeschenk für Steven Adler brauchte, den Drummer von Guns N’ Roses. Also bin ich zu Tower Records auf dem Sunset Strip und habe ihm eine Musikkassette mitgenommen, das Debütalbum von Boston. Ich gehe rein, stecke das Ding in die Tasche, spaziere raus: »Happy Birthday, Steve!« Später bin ich da immer wieder rein, wurde immer mutiger. Irgendwann trug ich dann immer eine Daunenjacke, darin konnte ich alles Mögliche verstecken.
SPIEGEL: Auch Schallplatten?
Slash: Vinyl habe ich mir in die Hose geschoben, das war schon etwas übermütig. So haben sie mich dann auch erwischt. Eines Tages bin ich mit dem Fahrrad gekommen und habe mir die Schallplatten vorn und hinten reingeschoben. Ich konnte mich kaum mehr bewegen, hatte aber wie immer zur Tarnung ein paar Platten gekauft. Ich fühlte mich also sicher, setzte mich aufs Fahrrad – und spürte plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Also wieder rein in den Laden, hoch in den ersten Stock, Handschellen, Fotos von mir und dem geklauten Zeug, das volle Programm. Ich war noch minderjährig. Meine Mutter musste mich abholen.
SPIEGEL: Schrecklich.
Slash: Na ja, egal. Witzig war, dass ich bei dieser Gelegenheit das Fenster entdeckte, durch das sie mich die ganze Zeit beim Klauen beobachten konnten. Der perfekte Blick. Und ich hatte nichts gemerkt! Jahre später, 1991, stehe ich wieder hinter diesem verdammten Fenster – und beobachte den Verkaufsstart von »Use Your Illusion«.
SPIEGEL: Das Ende Ihrer kriminellen Karriere?
Slash: Du wächst da irgendwann heraus. Es ging wohl um den Thrill, auch um Bequemlichkeit. Oder um Sachen, die ich brauchte, mir aber nicht leisten konnte. Ich erinnere mich an diesen Nachbarn meiner Großmutter. Er hatte eine Gitarre, wie ich sie brauchte, eine echte Les Paul. Ich war schon vorher in Häuser eingebrochen, aber der Typ war einfach zu nett, der winkte und sagte »Hallo!«, also brachte ich es nie übers Herz. Dabei hatte ich schon angefangen, einen Plan auszuhecken.
SPIEGEL: Heute besitzen Sie eine Sammlung von rund 400 Gitarren. Selbst jemand wie Sie kann doch unmöglich so viele brauchen.
Slash: Als wir mit der Arbeit an »Use Your Illusion« anfingen, hatte ich vielleicht fünf oder sechs Gitarren, die waren alle im Einsatz. Ich fing dann an, für die verschiedenen Sounds verschiedene Gitarren zu kaufen – und es waren wirklich viele Songs auf diesem Doppelalbum. Später ging es so weiter. Ich kaufte Gitarren mal für diese, mal für jene Session. So mache ich das schon seit Jahren, also akkumulierte sich das.
SPIEGEL: Bis zum heutigen Tag?
Slash: Ja. Es ist zur Sucht geworden. Und ich weiß nicht, ob ich schon bereit bin für die Therapie. Seit ich keine Drogen mehr nehme, kaufe ich Gitarren, gern mal nur für den Dopamin-Effekt. Ich versuche dann immer am Gesichtsausdruck meiner Freundin abzulesen, ob das noch in Ordnung oder schon krankhaft ist.
SPIEGEL: Ein Gitarrenzertrümmerer sind Sie nicht, oder?
Slash: Solche Fälle kann ich an einer Hand abzählen. Einmal wollte das Ding nicht funktionieren, und auf der Bühne war ein Pfeiler im Weg. Ein andermal habe ich eine Gitarre für ein Video von einer Klippe geworfen, na ja. Insgesamt komme ich wohl auf drei Exemplare, die ich bewusst zerstört habe.
SPIEGEL: Ihr aktuelles Album ist eine Bluesplatte. Muss sich jeder große Gitarrist früher oder später am Blues versuchen?
Slash: Ich wollte das schon seit 30 Jahren machen. Blues hat mich zur Gitarre gebracht, da komme ich her, und daran habe ich nach meinem Ausstieg bei Guns N’ Roses angeknüpft. Ich habe damals mit großen Bluesmusikern gejammt. Später kamen mir dann aber meine Soloprojekte in die Quere, erst Slash’s Snakepit, dann Velvet Revolver, irgendwann wieder Guns N’ Roses. Jetzt hatte ich ein Zeitfenster, deshalb habe ich es gemacht.
SPIEGEL: Sie haben erstklassige Gastsänger eingeladen: Brian Johnson von AC/DC, Billy Gibbons von ZZ Top, Iggy Pop und Beth Hart. Hat es Sie nicht gereizt, mal selbst zu singen?
Slash: Einen Sänger zu finden, ist immer schwer, deshalb habe ich früher auf der Highschool oft selbst gesungen. Ich kann Noten treffen, und es klingt auch gar nicht mal so schlecht, so wie auf »The Spaghetti Incident?« von Guns N’ Roses. Aber ich habe es einfach nicht in mir, mich mit meiner Stimme auszudrücken, dabei dem Publikum in die Augen zu sehen und die ganze Sache gut rüberzubringen. Einige Songs auf dem Album hätte ich bestimmt singen können. Aber ich fühle da keine Berufung, es bringt mir nichts.
SPIEGEL: Gab es einen Sänger, den Sie nicht für einen Gastauftritt gewinnen konnten?
Slash: Ja. Und es war verdammt hart, das zu akzeptieren.
SPIEGEL: Wer war das?
Slash: Lemmy.
SPIEGEL: Lemmy Kilmister, der 2015 verstorbene Chef von Motörhead?
Slash: Ja. Lemmy war der eine Typ, bei dem ich einfach dachte: fuck. Er wäre ideal gewesen für diesen Song.
SPIEGEL: Sie spielen Bluesklassiker, dazu singen alte Helden – ist dieses Album eine Rückkehr zu Ihren Anfängen?
Slash: Im Haus meiner Eltern war ich von Musik umgeben. Mit Freunden habe ich Kiss gehört, voll aufgedreht. Und natürlich hat man Träume von einer eigenen Band, ich hatte nur kein Interesse daran, ein Instrument zu lernen. Ich war auf dem besten Weg, ein professioneller BMX-Fahrer zu werden. Das war mein Plan A. Es gab keinen Plan B.
SPIEGEL: Und dann kam der Blues?
Slash: Dann spielte mir ein Lehrer etwas von Eric Clapton auf der E-Gitarre vor. Also habe ich mich reingefuchst, ganz einfaches Zeug, es fühlte sich an wie Klavierunterricht und klang nicht wirklich nach Jimi Hendrix. Irgendwann spielte ich drei oder vier Noten ganz für mich allein. Es war im Grunde ein Blues-Lick, und der Himmel öffnete seine Pforten.
SPIEGEL: Inwiefern?
Slash: Ich stand an der Kreuzung: BMX oder Gitarre? Und dann flog innerhalb von 24 Stunden alles aus dem Fenster, was ich bisher war und werden wollte. Ich erinnere mich an die Gesichter meiner BMX-Freunde, als sie mich nach einer Weile wiedersahen – mit einer Gitarre auf dem Rücken. Da merkten sie, dass sie mich verloren hatten, dass ich es ernst meinte.
SPIEGEL: Haben Sie Eric Clapton jemals davon erzählt?
Slash: Ich habe ihn nur einmal getroffen, er hat mir sogar ein Kompliment gemacht. Ich bin noch immer ein großer Fan, weil er so einen natürlichen Blues spielt und so gut wie jeden beeinflusst hat. Aber es gibt wohl keinen Gitarristen, egal aus welcher Generation, der das nicht genauso sieht. Ähnlich ist es mit Jeff Beck. Immer wieder sehe ich Gitarristen, die versuchen, sein Spiel zu kopieren – was natürlich unmöglich ist.
SPIEGEL: Warum?
Slash: Du musst Jeff Beck sein, um wie Jeff Beck spielen zu können. Es geht nicht um technische Fähigkeiten oder darum, wie viele Noten jemand spielen kann. Es geht um Persönlichkeit, Stil, eine eigene Stimme – das Unverkennbare. Das geht unter, wenn nur noch Dinge zählen, die man lernen kann, Virtuosität und Geschwindigkeit und Technik. Ich habe mich schon an der Highschool mit Leuten gestritten, die Eddie Van Halen oder sonst wen einen »Gott« nannten – und die Schönheit im Spiel eines Keith Richards einfach nicht erkannten. Erst neulich habe ich aus Begeisterung ein Video von Django Reinhardt gepostet und irgendwer kommentierte: »Nett, aber nicht so gut wie Gitarrist XY«. Darum geht es nicht! Hörst du nicht die wundervolle Melodie in diesem Ding?
SPIEGEL: Braucht es neben der Musik auch Posertum? Wir denken an das legendäre Musikvideo zur Guns-N’-Roses-Ballade »November Rain«: Slash verlässt eine Hochzeit, stürmt in die Wüste, ganz in Leder, Kippe im Mund, und legt auf der Gitarre ein breitbeiniges Solo hin.
Slash: Ich hasste es! Die Idee war, dass ich zickig auf diese Hochzeit reagieren sollte. Aber ich hasste es wirklich! Alles daran, die ganze Geschichte, das Video und den Helikopter, aus dem heraus ich gefilmt wurde. Und dann machte ich halt mein Ding.
SPIEGEL: Was war das, Ihr »Ding«? Die Performance?
Slash: Als Gitarrist muss ich um jeden Preis so spielen können, dass es mich emotional befriedigt. Ich muss gut oder meinetwegen virtuos genug sein, um spielen zu können, was ich mir vorstelle. Dazu braucht es eine Komposition oder Melodie, die mir etwas sagt. Und viel Übung, damit ich das alles umsetzen kann. Die große Idee dahinter ist für mich, dass ich das ganze Paket vor einem Publikum darbieten kann. Hier kommt die Performance ins Spiel. Alles führt zu dem großen Moment, in dem ich tatsächlich vor einem Publikum auftrete.
SPIEGEL: Vor Kurzem traten Sie vor Millionen von Fernsehzuschauern bei den Oscars auf.
Slash: Das war so lustig!
SPIEGEL: Auf der Bühne spielten Sie das Solo zu »I’m Just Ken«, einem Song aus dem »Barbie«-Film. Sie waren ein Überraschungsgast von Ryan Gosling und Mark Ronson. Eine Performance wie jede andere?
Slash: Nein, das war wirklich anders. Backstage wuselten alle möglichen Spezialisten um mich herum, Haare, Make-up, Klamotten und so was. Ich hatte vorher gesagt, dass ich nur schwarze Lederhosen und eine schwarze Lederjacke brauche – und dann warteten dort 18 schwarze Lederanzüge auf mich, alle sahen gleich aus. Eine Spezialistin sagte: »Diesen hier kannst du auf dem roten Teppich tragen, diesen hier auf der Bühne«, und ich rief: »Niemand wird einen verdammten Unterschied erkennen! Das ist alles der gleiche Anzug!«
SPIEGEL: Haben Sie Ihr Solo proben können?
Slash: Gleich nach der Landung, ja, ein einziges Mal. Da hatten alle anderen Beteiligten diese Nummer schon seit einer Woche geübt – auch Ryan, er war da fast wie ein Regisseur! Ich gehe also in die Generalprobe, höre mich selbst viel zu leise über die Kopfhörer, und es heißt: »Du stehst auf diesem Ding, dann dreht es sich, und dann fängst du an zu spielen, dann kommt die Kamera von hier, und wenn Ryan Gosling von da kommt, musst du dich in seine Richtung drehen«. Und ich kenne nicht einmal den ganzen Song! Die Generalprobe lief jedenfalls nicht so gut für mich.
SPIEGEL: Und dann?
Slash: Dann kam diese Sache mit dem roten Teppich. Sie schoben mich in diesen vollen Saal, aber mein Sitz war auf der ganz anderen Seite. Ich musste also an all diesen Berühmtheiten entlanglaufen, um zu meinem Platz zu kommen. Sie schauten mich an, als würden sie denken: »Was zum Teufel macht der da?« Und ich denke: »Oh mein Gott, der Typ da drüben ist Robert De Niro! Und dort sitzt Steven Spielberg!« Bis dahin waren das die surrealsten Augenblicke meines Lebens.
SPIEGEL: Wurde es noch irrer?
Slash: Die Leute waren freundlich, ein paar Schauspieler stellten sich mir vor, ich sagte: »Scheiß auf deinen Namen! Ich kenne dich aus dem Fernsehen!« Was Prominente betrifft, geht es mir wie allen anderen Menschen. In der ersten Hälfte der Zeremonie konnte ich mich dann ein bisschen beruhigen. Bei meinem Auftritt war ich nervös, machte aber keine Fehler. Danach bin ich nach Hause, habe die Klamotten gewechselt – und bin zurück zum Flughafen.
SPIEGEL: War’s den ganzen Aufwand wert?
Slash: Im Rückblick hat es sich gelohnt. Ich kam rechtzeitig zu meinem Auftritt, darum ging es.
SPIEGEL: Waren Sie spät dran?
Slash: Mark Ronson hatte mich ein paar Wochen zuvor angerufen und gefragt, ob ich bei der Verleihung spielen wollte. Ich sagte: »Oh Mann, ich bin auf Tournee, am Ende der Welt, in Südkorea.« Darauf er: »So ein Jammer, kann man nicht ändern.« Und dann rief er noch mal an: »Was, wenn wir dich einfliegen lassen?«
SPIEGEL: Wie das?
Slash: Es stellte sich heraus, dass Ryan Gosling darauf bestanden hat: Die ganze Performance werde nur funktionieren, wenn ich dort auftauche und das Solo spiele. Er hat dann einen Manager der »Barbie«-Firma Mattel überredet, seinen eigenen Privatjet zur Verfügung zu stellen. Und das alles nur, damit ich auf der Bühne für 23 Sekunden meine Gitarre spiele.
SPIEGEL: »I’m Just Ken« ist ein Song über fragile Maskulinität. Vielleicht ist der Witz wirklich erst perfekt, wenn Slash dazu die Gitarre spielt. Ihr ganzes Auftreten vermittelt das Bild archetypischer Männlichkeit.
Slash: Ich wusste, dass Sie das sagen würden, ich habe es geahnt! Sie klingen wie meine Mutter!
SPIEGEL: Warum hat sich Ihr Auftreten in all den Jahrzehnten nie geändert?
Slash: Das hat überhaupt nichts mit irgendwas zu tun. Ich mag einfach die Gitarre, und wenn ich da so stehe, stehe ich da einfach nur. Wenn ich dann aber einen Schritt zur Seite trete und mir andere verdammte Gitarristen anschaue, dann erkenne ich da schon einen gewissen Machismo. Aber was soll’s? Es sind Typen, die ein Instrument spielen.
SPIEGEL: Was war denn die Analyse Ihrer Mutter?
Slash: Sie ging viel weiter: »Das ist eine phallische Sache!« Ich sagte: »Ach komm, Mama, hör doch auf!« Und doch ist da eine gewisse Energie, die nicht in mir existieren würde, wenn ich es anders machen würde. Es kommt ein Teil von mir zum Vorschein. Es ist ein Ventil – wofür auch immer.
SPIEGEL: Hilft eine gewisse Form von inszenierter Männlichkeit, damit man nicht ständig über seine Hautfarbe sprechen muss?
Slash: Sie sprechen hier eine ernste Sache an. Als ich ein kleines Kind in England war, war meine Hautfarbe kaum ein Thema. Größere Probleme hatte ich dort wegen meiner langen Haare oder der Klamotten, die ich trug. Als ich mit fünf Jahren nach Amerika zog, lebten meine Eltern in einem Hippie-Milieu, Musik, Kunst, sehr liebevoll, sehr friedlich. Aber die öffentliche Schule war vergleichsweise konservativ.
SPIEGEL: Rassistisch?
Slash: Sehr, sehr konservativ. Wirklich. Dort war die Tatsache, dass ich schwarz – oder teilweise schwarz – bin, immer ein Thema. Andererseits war meine Familie mütterlicherseits, waren alle meine Cousins sehr schwarz, und unter ihnen waren auch Leute, denen ich mit meinen langen Haaren und meinem Style einfach zu weiß war. Dazu kam, dass ich sehr oft die Schule gewechselt habe.
SPIEGEL: Sie passten nirgendwo richtig dazu?
Slash: Meinen britischen Akzent habe ich mir schon als Kind bewusst abgewöhnt, weil ich in L. A. dauernd darauf angesprochen wurde. Ständig habe ich mich wie ein Außenseiter verhalten, weil ich ein Außenseiter war. Dabei wollte ich immer nur irgendwo dazugehören – bis zu dem Augenblick, in dem ich die Gitarre in die Hand nahm. Plötzlich war alles in Ordnung. Yeah, auf einmal ging mir alles am Arsch vorbei. Und seitdem mache ich einfach mein Ding.
SPIEGEL: Slash, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
https://www.spiegel.de/kultur/musik/seit-ich-keine-drogen-mehr-nehme-kaufe-ich-gitarren-a-e63773d4-bbaf-4fc4-9285-abb8a7174387
»Seit ich keine Drogen mehr nehme, kaufe ich Gitarren«
Wie pflegt man diese Lockenmähne? Wie war’s mit Ryan Gosling bei den Oscars? Muss jeder Gitarrist ein Bluesalbum aufnehmen? Guns-N’-Roses-Rocker Slash über Männlichkeitsbilder, geklaute Platten und seine Sucht nach Instrumenten.
Ein SPIEGEL-Gespräch von Andreas Borcholte und Arno Frank
Saul Hudson, den die halbe Welt nur als Slash kennt, empfängt in einem Hotelzimmer im Waldorf Astoria im Berliner Westen. Am Freitag erscheint sein Bluesalbum »Orgy of the Damned«, seit seiner Versöhnung mit Sänger Axl Rose ist er aber auch wieder Teil der gemeinhin in Stadien auftretenden Rockband Guns N’ Roses (»Welcome to the Jungle«), zu deren Besetzung er ab 1985 gehörte. Hudson wurde 1965 in Hampstead, London, geboren, später zog die kreative Familie nach Los Angeles: Sein britischer Vater entwarf Plattencover für Stars wie Joni Mitchell, seine afroamerikanische Mutter designte Kostüme für David Bowie und Diana Ross.
Den Spitznamen Slash erhielt Hudson angeblich, weil er als Knirps nie still sitzen konnte und ständig herumsauste. Heute gilt er als einer der talentiertesten Gitarristen seiner Generation. Sein Werkzeug, zumeist eine Gibson Les Paul, spielt er lässig tief auf der Hüfte aufliegend, auf der Bühne trägt er dunkle Sonnenbrille und eine wilde Lockenmähne, auf der ein Zylinder thront: Es ist eine ikonische Silhouette, die Personifizierung des coolen Rockstars. Anfang März trat Slash zusammen mit »Barbie«-Star Ryan Gosling bei der Oscarverleihung in Hollywood auf, um dessen Soundtrack-Hit »I’m Just Ken« auf der Gitarre zu begleiten. Zum Interview erscheint er ohne Hut, dafür mit Basecap über den wild an den Seiten herausquellenden Haaren.
SPIEGEL: Slash, wollen Sie uns das Geheimnis Ihrer Haare verraten?
Slash: Wieso? Was ist damit? Ich bin gerade aus dem Bus gestiegen, ich habe gar nichts damit gemacht! Väterlicherseits bin ich weiß, mütterlicherseits schwarz, das ist alles naturbelassen. Na gut, vielleicht werden sie langsam ein wenig dünner.
SPIEGEL: Ihre Haare sind eines Ihrer Markenzeichen, man erkennt Sie seit Jahrzehnten an Ihrem Äußeren, den Locken, der Lederhose und dem Zylinder.
Slash: Das war keine Absicht. In den frühen Tagen von Guns N’ Roses war ich auf der Suche nach einem guten Look. Aus einem Laden auf der Melrose Avenue in Los Angeles habe ich dann diesen Zylinder mitgehen lassen. Ich ahnte nicht, dass das ein Markenzeichen werden würde. Ich mochte es nie, auf mich aufmerksam zu machen. Mit den Haaren im Gesicht und dem Zylinder auf den Kopf konnte ich mich bei Auftritten gut verstecken.
SPIEGEL: Sie haben den Zylinder gestohlen?
Slash: Tut mir leid, ja, ich hatte nicht das Geld dafür, okay? Das ist illegal, klar, aber die Leute passen auch wirklich nicht gut auf. Als Kind habe ich das sehr schnell gelernt.
SPIEGEL: Haben Sie auch Tonträger geklaut?
Slash: Klar! Es ging damit los, dass ich ein Geburtstagsgeschenk für Steven Adler brauchte, den Drummer von Guns N’ Roses. Also bin ich zu Tower Records auf dem Sunset Strip und habe ihm eine Musikkassette mitgenommen, das Debütalbum von Boston. Ich gehe rein, stecke das Ding in die Tasche, spaziere raus: »Happy Birthday, Steve!« Später bin ich da immer wieder rein, wurde immer mutiger. Irgendwann trug ich dann immer eine Daunenjacke, darin konnte ich alles Mögliche verstecken.
SPIEGEL: Auch Schallplatten?
Slash: Vinyl habe ich mir in die Hose geschoben, das war schon etwas übermütig. So haben sie mich dann auch erwischt. Eines Tages bin ich mit dem Fahrrad gekommen und habe mir die Schallplatten vorn und hinten reingeschoben. Ich konnte mich kaum mehr bewegen, hatte aber wie immer zur Tarnung ein paar Platten gekauft. Ich fühlte mich also sicher, setzte mich aufs Fahrrad – und spürte plötzlich eine Hand auf meiner Schulter. Also wieder rein in den Laden, hoch in den ersten Stock, Handschellen, Fotos von mir und dem geklauten Zeug, das volle Programm. Ich war noch minderjährig. Meine Mutter musste mich abholen.
SPIEGEL: Schrecklich.
Slash: Na ja, egal. Witzig war, dass ich bei dieser Gelegenheit das Fenster entdeckte, durch das sie mich die ganze Zeit beim Klauen beobachten konnten. Der perfekte Blick. Und ich hatte nichts gemerkt! Jahre später, 1991, stehe ich wieder hinter diesem verdammten Fenster – und beobachte den Verkaufsstart von »Use Your Illusion«.
SPIEGEL: Das Ende Ihrer kriminellen Karriere?
Slash: Du wächst da irgendwann heraus. Es ging wohl um den Thrill, auch um Bequemlichkeit. Oder um Sachen, die ich brauchte, mir aber nicht leisten konnte. Ich erinnere mich an diesen Nachbarn meiner Großmutter. Er hatte eine Gitarre, wie ich sie brauchte, eine echte Les Paul. Ich war schon vorher in Häuser eingebrochen, aber der Typ war einfach zu nett, der winkte und sagte »Hallo!«, also brachte ich es nie übers Herz. Dabei hatte ich schon angefangen, einen Plan auszuhecken.
SPIEGEL: Heute besitzen Sie eine Sammlung von rund 400 Gitarren. Selbst jemand wie Sie kann doch unmöglich so viele brauchen.
Slash: Als wir mit der Arbeit an »Use Your Illusion« anfingen, hatte ich vielleicht fünf oder sechs Gitarren, die waren alle im Einsatz. Ich fing dann an, für die verschiedenen Sounds verschiedene Gitarren zu kaufen – und es waren wirklich viele Songs auf diesem Doppelalbum. Später ging es so weiter. Ich kaufte Gitarren mal für diese, mal für jene Session. So mache ich das schon seit Jahren, also akkumulierte sich das.
SPIEGEL: Bis zum heutigen Tag?
Slash: Ja. Es ist zur Sucht geworden. Und ich weiß nicht, ob ich schon bereit bin für die Therapie. Seit ich keine Drogen mehr nehme, kaufe ich Gitarren, gern mal nur für den Dopamin-Effekt. Ich versuche dann immer am Gesichtsausdruck meiner Freundin abzulesen, ob das noch in Ordnung oder schon krankhaft ist.
SPIEGEL: Ein Gitarrenzertrümmerer sind Sie nicht, oder?
Slash: Solche Fälle kann ich an einer Hand abzählen. Einmal wollte das Ding nicht funktionieren, und auf der Bühne war ein Pfeiler im Weg. Ein andermal habe ich eine Gitarre für ein Video von einer Klippe geworfen, na ja. Insgesamt komme ich wohl auf drei Exemplare, die ich bewusst zerstört habe.
SPIEGEL: Ihr aktuelles Album ist eine Bluesplatte. Muss sich jeder große Gitarrist früher oder später am Blues versuchen?
Slash: Ich wollte das schon seit 30 Jahren machen. Blues hat mich zur Gitarre gebracht, da komme ich her, und daran habe ich nach meinem Ausstieg bei Guns N’ Roses angeknüpft. Ich habe damals mit großen Bluesmusikern gejammt. Später kamen mir dann aber meine Soloprojekte in die Quere, erst Slash’s Snakepit, dann Velvet Revolver, irgendwann wieder Guns N’ Roses. Jetzt hatte ich ein Zeitfenster, deshalb habe ich es gemacht.
SPIEGEL: Sie haben erstklassige Gastsänger eingeladen: Brian Johnson von AC/DC, Billy Gibbons von ZZ Top, Iggy Pop und Beth Hart. Hat es Sie nicht gereizt, mal selbst zu singen?
Slash: Einen Sänger zu finden, ist immer schwer, deshalb habe ich früher auf der Highschool oft selbst gesungen. Ich kann Noten treffen, und es klingt auch gar nicht mal so schlecht, so wie auf »The Spaghetti Incident?« von Guns N’ Roses. Aber ich habe es einfach nicht in mir, mich mit meiner Stimme auszudrücken, dabei dem Publikum in die Augen zu sehen und die ganze Sache gut rüberzubringen. Einige Songs auf dem Album hätte ich bestimmt singen können. Aber ich fühle da keine Berufung, es bringt mir nichts.
SPIEGEL: Gab es einen Sänger, den Sie nicht für einen Gastauftritt gewinnen konnten?
Slash: Ja. Und es war verdammt hart, das zu akzeptieren.
SPIEGEL: Wer war das?
Slash: Lemmy.
SPIEGEL: Lemmy Kilmister, der 2015 verstorbene Chef von Motörhead?
Slash: Ja. Lemmy war der eine Typ, bei dem ich einfach dachte: fuck. Er wäre ideal gewesen für diesen Song.
SPIEGEL: Sie spielen Bluesklassiker, dazu singen alte Helden – ist dieses Album eine Rückkehr zu Ihren Anfängen?
Slash: Im Haus meiner Eltern war ich von Musik umgeben. Mit Freunden habe ich Kiss gehört, voll aufgedreht. Und natürlich hat man Träume von einer eigenen Band, ich hatte nur kein Interesse daran, ein Instrument zu lernen. Ich war auf dem besten Weg, ein professioneller BMX-Fahrer zu werden. Das war mein Plan A. Es gab keinen Plan B.
SPIEGEL: Und dann kam der Blues?
Slash: Dann spielte mir ein Lehrer etwas von Eric Clapton auf der E-Gitarre vor. Also habe ich mich reingefuchst, ganz einfaches Zeug, es fühlte sich an wie Klavierunterricht und klang nicht wirklich nach Jimi Hendrix. Irgendwann spielte ich drei oder vier Noten ganz für mich allein. Es war im Grunde ein Blues-Lick, und der Himmel öffnete seine Pforten.
SPIEGEL: Inwiefern?
Slash: Ich stand an der Kreuzung: BMX oder Gitarre? Und dann flog innerhalb von 24 Stunden alles aus dem Fenster, was ich bisher war und werden wollte. Ich erinnere mich an die Gesichter meiner BMX-Freunde, als sie mich nach einer Weile wiedersahen – mit einer Gitarre auf dem Rücken. Da merkten sie, dass sie mich verloren hatten, dass ich es ernst meinte.
SPIEGEL: Haben Sie Eric Clapton jemals davon erzählt?
Slash: Ich habe ihn nur einmal getroffen, er hat mir sogar ein Kompliment gemacht. Ich bin noch immer ein großer Fan, weil er so einen natürlichen Blues spielt und so gut wie jeden beeinflusst hat. Aber es gibt wohl keinen Gitarristen, egal aus welcher Generation, der das nicht genauso sieht. Ähnlich ist es mit Jeff Beck. Immer wieder sehe ich Gitarristen, die versuchen, sein Spiel zu kopieren – was natürlich unmöglich ist.
SPIEGEL: Warum?
Slash: Du musst Jeff Beck sein, um wie Jeff Beck spielen zu können. Es geht nicht um technische Fähigkeiten oder darum, wie viele Noten jemand spielen kann. Es geht um Persönlichkeit, Stil, eine eigene Stimme – das Unverkennbare. Das geht unter, wenn nur noch Dinge zählen, die man lernen kann, Virtuosität und Geschwindigkeit und Technik. Ich habe mich schon an der Highschool mit Leuten gestritten, die Eddie Van Halen oder sonst wen einen »Gott« nannten – und die Schönheit im Spiel eines Keith Richards einfach nicht erkannten. Erst neulich habe ich aus Begeisterung ein Video von Django Reinhardt gepostet und irgendwer kommentierte: »Nett, aber nicht so gut wie Gitarrist XY«. Darum geht es nicht! Hörst du nicht die wundervolle Melodie in diesem Ding?
SPIEGEL: Braucht es neben der Musik auch Posertum? Wir denken an das legendäre Musikvideo zur Guns-N’-Roses-Ballade »November Rain«: Slash verlässt eine Hochzeit, stürmt in die Wüste, ganz in Leder, Kippe im Mund, und legt auf der Gitarre ein breitbeiniges Solo hin.
Slash: Ich hasste es! Die Idee war, dass ich zickig auf diese Hochzeit reagieren sollte. Aber ich hasste es wirklich! Alles daran, die ganze Geschichte, das Video und den Helikopter, aus dem heraus ich gefilmt wurde. Und dann machte ich halt mein Ding.
SPIEGEL: Was war das, Ihr »Ding«? Die Performance?
Slash: Als Gitarrist muss ich um jeden Preis so spielen können, dass es mich emotional befriedigt. Ich muss gut oder meinetwegen virtuos genug sein, um spielen zu können, was ich mir vorstelle. Dazu braucht es eine Komposition oder Melodie, die mir etwas sagt. Und viel Übung, damit ich das alles umsetzen kann. Die große Idee dahinter ist für mich, dass ich das ganze Paket vor einem Publikum darbieten kann. Hier kommt die Performance ins Spiel. Alles führt zu dem großen Moment, in dem ich tatsächlich vor einem Publikum auftrete.
SPIEGEL: Vor Kurzem traten Sie vor Millionen von Fernsehzuschauern bei den Oscars auf.
Slash: Das war so lustig!
SPIEGEL: Auf der Bühne spielten Sie das Solo zu »I’m Just Ken«, einem Song aus dem »Barbie«-Film. Sie waren ein Überraschungsgast von Ryan Gosling und Mark Ronson. Eine Performance wie jede andere?
Slash: Nein, das war wirklich anders. Backstage wuselten alle möglichen Spezialisten um mich herum, Haare, Make-up, Klamotten und so was. Ich hatte vorher gesagt, dass ich nur schwarze Lederhosen und eine schwarze Lederjacke brauche – und dann warteten dort 18 schwarze Lederanzüge auf mich, alle sahen gleich aus. Eine Spezialistin sagte: »Diesen hier kannst du auf dem roten Teppich tragen, diesen hier auf der Bühne«, und ich rief: »Niemand wird einen verdammten Unterschied erkennen! Das ist alles der gleiche Anzug!«
SPIEGEL: Haben Sie Ihr Solo proben können?
Slash: Gleich nach der Landung, ja, ein einziges Mal. Da hatten alle anderen Beteiligten diese Nummer schon seit einer Woche geübt – auch Ryan, er war da fast wie ein Regisseur! Ich gehe also in die Generalprobe, höre mich selbst viel zu leise über die Kopfhörer, und es heißt: »Du stehst auf diesem Ding, dann dreht es sich, und dann fängst du an zu spielen, dann kommt die Kamera von hier, und wenn Ryan Gosling von da kommt, musst du dich in seine Richtung drehen«. Und ich kenne nicht einmal den ganzen Song! Die Generalprobe lief jedenfalls nicht so gut für mich.
SPIEGEL: Und dann?
Slash: Dann kam diese Sache mit dem roten Teppich. Sie schoben mich in diesen vollen Saal, aber mein Sitz war auf der ganz anderen Seite. Ich musste also an all diesen Berühmtheiten entlanglaufen, um zu meinem Platz zu kommen. Sie schauten mich an, als würden sie denken: »Was zum Teufel macht der da?« Und ich denke: »Oh mein Gott, der Typ da drüben ist Robert De Niro! Und dort sitzt Steven Spielberg!« Bis dahin waren das die surrealsten Augenblicke meines Lebens.
SPIEGEL: Wurde es noch irrer?
Slash: Die Leute waren freundlich, ein paar Schauspieler stellten sich mir vor, ich sagte: »Scheiß auf deinen Namen! Ich kenne dich aus dem Fernsehen!« Was Prominente betrifft, geht es mir wie allen anderen Menschen. In der ersten Hälfte der Zeremonie konnte ich mich dann ein bisschen beruhigen. Bei meinem Auftritt war ich nervös, machte aber keine Fehler. Danach bin ich nach Hause, habe die Klamotten gewechselt – und bin zurück zum Flughafen.
SPIEGEL: War’s den ganzen Aufwand wert?
Slash: Im Rückblick hat es sich gelohnt. Ich kam rechtzeitig zu meinem Auftritt, darum ging es.
SPIEGEL: Waren Sie spät dran?
Slash: Mark Ronson hatte mich ein paar Wochen zuvor angerufen und gefragt, ob ich bei der Verleihung spielen wollte. Ich sagte: »Oh Mann, ich bin auf Tournee, am Ende der Welt, in Südkorea.« Darauf er: »So ein Jammer, kann man nicht ändern.« Und dann rief er noch mal an: »Was, wenn wir dich einfliegen lassen?«
SPIEGEL: Wie das?
Slash: Es stellte sich heraus, dass Ryan Gosling darauf bestanden hat: Die ganze Performance werde nur funktionieren, wenn ich dort auftauche und das Solo spiele. Er hat dann einen Manager der »Barbie«-Firma Mattel überredet, seinen eigenen Privatjet zur Verfügung zu stellen. Und das alles nur, damit ich auf der Bühne für 23 Sekunden meine Gitarre spiele.
SPIEGEL: »I’m Just Ken« ist ein Song über fragile Maskulinität. Vielleicht ist der Witz wirklich erst perfekt, wenn Slash dazu die Gitarre spielt. Ihr ganzes Auftreten vermittelt das Bild archetypischer Männlichkeit.
Slash: Ich wusste, dass Sie das sagen würden, ich habe es geahnt! Sie klingen wie meine Mutter!
SPIEGEL: Warum hat sich Ihr Auftreten in all den Jahrzehnten nie geändert?
Slash: Das hat überhaupt nichts mit irgendwas zu tun. Ich mag einfach die Gitarre, und wenn ich da so stehe, stehe ich da einfach nur. Wenn ich dann aber einen Schritt zur Seite trete und mir andere verdammte Gitarristen anschaue, dann erkenne ich da schon einen gewissen Machismo. Aber was soll’s? Es sind Typen, die ein Instrument spielen.
SPIEGEL: Was war denn die Analyse Ihrer Mutter?
Slash: Sie ging viel weiter: »Das ist eine phallische Sache!« Ich sagte: »Ach komm, Mama, hör doch auf!« Und doch ist da eine gewisse Energie, die nicht in mir existieren würde, wenn ich es anders machen würde. Es kommt ein Teil von mir zum Vorschein. Es ist ein Ventil – wofür auch immer.
SPIEGEL: Hilft eine gewisse Form von inszenierter Männlichkeit, damit man nicht ständig über seine Hautfarbe sprechen muss?
Slash: Sie sprechen hier eine ernste Sache an. Als ich ein kleines Kind in England war, war meine Hautfarbe kaum ein Thema. Größere Probleme hatte ich dort wegen meiner langen Haare oder der Klamotten, die ich trug. Als ich mit fünf Jahren nach Amerika zog, lebten meine Eltern in einem Hippie-Milieu, Musik, Kunst, sehr liebevoll, sehr friedlich. Aber die öffentliche Schule war vergleichsweise konservativ.
SPIEGEL: Rassistisch?
Slash: Sehr, sehr konservativ. Wirklich. Dort war die Tatsache, dass ich schwarz – oder teilweise schwarz – bin, immer ein Thema. Andererseits war meine Familie mütterlicherseits, waren alle meine Cousins sehr schwarz, und unter ihnen waren auch Leute, denen ich mit meinen langen Haaren und meinem Style einfach zu weiß war. Dazu kam, dass ich sehr oft die Schule gewechselt habe.
SPIEGEL: Sie passten nirgendwo richtig dazu?
Slash: Meinen britischen Akzent habe ich mir schon als Kind bewusst abgewöhnt, weil ich in L. A. dauernd darauf angesprochen wurde. Ständig habe ich mich wie ein Außenseiter verhalten, weil ich ein Außenseiter war. Dabei wollte ich immer nur irgendwo dazugehören – bis zu dem Augenblick, in dem ich die Gitarre in die Hand nahm. Plötzlich war alles in Ordnung. Yeah, auf einmal ging mir alles am Arsch vorbei. Und seitdem mache ich einfach mein Ding.
SPIEGEL: Slash, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
https://www.spiegel.de/kultur/musik/seit-ich-keine-drogen-mehr-nehme-kaufe-ich-gitarren-a-e63773d4-bbaf-4fc4-9285-abb8a7174387
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